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Lyrik & Literatur

Gerade nicht gut

Was heißt „gerade nicht gut“ für mich?

Ich sag zu dir:
»Mir geht‘s nicht gut gerade.«

Du schaust mich an
und nickst etwas vage.
Ich war auch nicht spezifisch.

Kann nicht sagen
was genau nicht stimmt.
Aber vielleicht kann ich
es beschreiben.

Case 1

In der vollen U-Bahn sitz ich
eingeklemmt zwischen den Menschen.
Gegenüber ein knutschendes Pärchen.
Links laut lachende und brüllende
Männer. Rasierwasserduft beißt in der Nase.

Kieksende Kinder mit Starbucks-Bechern
und langen, spitzen Nägeln.
Die U-Bahn quietscht und knattert,
Das Neonlicht flackert
auf bunten Plakaten.

Seh ich auf mein aschfahles Gesicht
in der Scheibe gegenüber,
die plötzlich näher kommt.
Das Lachen, das Knattern;
Das Flackern, das Beißen
in der Nase werden lauter.

Ich will flüchten vor der
inneren Überflutung,

aber wohin?

Case 2

Es ist morgens nach acht,
lieg seit zwei Stunden wach
Und weiß doch, dass ich
nicht aufstehen werde.

In der Küche gibt es Kaffee,
falls noch welche
im Kühlschrank –
liegt vielleicht noch eine Apfelsine.

Gestern platzte mir der Kopf
von allem was zu tun ist.
Jetzt lieg ich unter der Decke.

Mir ist zu warm,
aber ich rühr mich nicht.
Die Luft ist stickig,
macht wer das Fenster auf für mich?

In mir finde ich keinerlei Antrieb.
Ist doch eh alles egal.
Netflix betäubt die Stille,

wen kümmert das schon?

Case 3

Ich sitze am Tisch
und starre ins Nichts.

In meinem Kopg geht
ein stiller Kampf vor sich.
Mit Blitz und Donner
hageln Deadlines und
endlose To-Dos auf eine
graue Landschaft nieder.

Über einen steilen Abhang
wabert trüber dunkler Nebel,
hüllt alles in sich ein.
Bis ein lauter Donner ihn
zurückschreckt.

Schreck ich schnell aus meiner
Trance, schau mich um:
Der Rechner schreit mich an:
»Mach was!«

Das Bett lockt und lullt mich
»Ruh dich etwas aus!«
Doch beide sind mein Feind.
Ich will einfach nur weg,

Wohin soll das sein?

Wenn ich sage »gerade nicht gut«
mein ich das. Dieses Fleckchen,
wo ich hinwill,
ist kein Ort,
eher ein Zustand

wenn in meinem Kopf nicht
Donner gegen Nebel kämpft.
Sondern die Sonne auf
blühende Kirschbäume scheint.
Wo kristallklares Wasser
voll guter Gedanken und
voller Tatendrang fließt.

»Gerade nicht gut« hat zu
viele Facetten,
als dass ich sie beschreiben könnt.

Den Weg zu diesem andren Ort,
kenn ich leider nicht – vielleicht
kannst du ihn mir zeigen?

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